200 Jahre historisches Theaterhaus

Das Flintsbacher Theaterhaus

Der Saal des Gasthofs „Falkenstein“ war wohl als Spielort nicht mehr groß genug, und so ließ der Gastwirt Franz Pallauf 1823 einen eigenen Theaterstadl errichten. Dies ist aus den Quellen des Bayerischen Staatsarchives ersichtlich. Über den Bau ist in der Folgezeit nichts mehr berichtet worden.  Erst ab 1890 tauchen in den Abschlussberichten Ausgaben für Zimmermanns- und Malerarbeiten auf. Dies lässt sich auch in den weiteren Jahren verfolgen.

Die Besucher wurden immer mehr und sie hatten wohl auch keine Lust mehr, früh im Theater zu erscheinen, um einen guten Platz zu bekommen. Das “Comite” beschloss im März 1920 die Sitzplätze zu nummerieren und neu zu ordnen. Um die Bequemlichkeit der Gäste war man besorgt, aber auch darüber, mehr Leute bei den Aufführungen dabei zu haben. Wenn der Mitteleingang der Galerie auf beide Seiten verlegt würde, dann würden so viele Plätze in der Mitte entstehen, dass sich die Maßnahme leicht abzahlen ließe. Da die Theaterfreunde dem Besitzer des Gebäudes nicht eine Wertsteigerung ohne Bedingungen überlassen wollten, beschlossen sie: “Das Holz sollte Gastwirt Schwaiger beschaffen, die Arbeitsleistung wurde von der Gesellschaft bezahlt.”

Ansicht von Süden vor 1900

Die Besitzer des Theaterhauses versuchten, soviel wie möglich herauszuholen. Dies lässt sich gut nach dem ersten Weltkrieg feststellen, da im Protokollbuch vom Januar 1929 vermerkt wird, dass sich Paul Braun im Theatergebäude eine Schreinerwerkstätte eingerichtet hat. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg wurden einzelne Räume an verschiedene Handwerker vermietet. So wurden 1949 und 1950 drei Mietverträge abgeschlossen, zweimal zur Benutzung eines Raumes als Webstube und der Kassenraum als Schuhbesohlungswerkstätte.

Ansicht von Norden 1948  

Der Kauf des Theaterhauses

Der Theaterstadl war über hundert Jahre im Besitz des jeweiligen Wirts des Gasthofes Falkenstein. Für die Theatergesellschaft bedeutete dies immer eine gewisse Unsicherheit. So ist im Protokollbuch vom März 1929 festgehalten, dass der Besitzer Schwaiger das Theatergebäude an eine Filmgesellschaft zu einem Kaufpreis von 7000 Mark verkaufen will. Bei einer Nachfrage an Wirt Schwaiger, was er verlangen würde, wenn die Theatergesellschaft das Gebäude kaufen würde, verlangt er 6.000 Mark. Da in der Kasse nicht mehr als 35 Mark zur Verfügung standen, schien es für unerreichbar. Es wurde dann beantragt, 3.000 Mark zu bieten, denn mehr ist das alte Gebäude nicht wert.

Die Mitglieder der Theatergesellschaft wollten nach dem Zweiten Weltkrieg aber nicht mehr von den geschäftlichen Interessen des jeweiligen Wirtes abhängig sein und traten 1948 erneut in Verhandlungen mit den Wirtsleuten. Am 13. Oktober 1948 konnte man den Kaufvertrag abschließen. Der Kaufpreis betrug 6.000 DM. Der Verkäufer erhielt sich jedoch das Recht vor, auf dem Vertragsobjekt Bier und Getränke auszuschenken, und zwar so lange, als die Gastwirtschaft “Falkenstein” im Besitz der Familie Schwaiger ist. Dafür verpflichten sich die Verkäufer, in ihrem Gastwirtssaal während der Theatersaison keine Konkurrenzveranstaltungen abzuhalten. Der Theaterverein war dadurch Besitzer eines Grundstückes von 0,1002 ha mit dem darauf stehenden Theaterstadl samt Zubehör geworden. Es wurden 44 Anteile vergeben, die sich auf 47 Personen verteilten (3 Anteile waren doppelt besetzt).

Erweiterung Nord 1949-50

Im Jahr 1949 kam der schlechte Zustand des Theatergebäudes im Ausschuss zur Sprache:

“… außerdem wäre es dringend notwendig, den baufälligen Nordanbau entweder auszubessern oder zu erneuern. Bei letzterem wäre es zweckmäßig, die Nordmauer einzureißen und den gesamten Raum um 2.50 m nach Norden zu erweitern, um somit mehr Platz zu gewinnen. Zimmermeister Matheis machte den Vorschlag, statt dem bestehenden Flachdach ein Giebeldach aufzusetzen und legte eine entsprechende Skizze vor. Dies wurde beschlossen und man begann mit großem Eifer und Engagement.

Wie war es möglich, in dieser Zeit nach der zweiten Währungsreform, in der mit jedem Pfennig gerechnet wurde, innerhalb von zwei Jahren 6.000 DM an Mitgliedsbeiträgen von knapp 40 Theaterbegeisterten aufzubringen? Gleichzeitig nahm man einen Erweiterungsbau in Angriff und konnte vier Monate nach Baubeginn Richtfest feiern. In der Geschichte des Volkstheaters bleibt dies wohl eine einzigartige Konzentration der Kräfte und ein nicht mehr zu überbietendes Engagement.

Am Samstag, den 11. März 1950 konnte die Richtfestfeier begangen werden. Die ganze Gemeinde, viele Leute aus der Umgebung, Bürgermeister, Gemeinderäte und ein Vertreter des Landrats, waren anwesend. Das Echo im Landkreis war so groß, dass eine Rosenheimer Zeitung einen halbseitigen Artikel über dieses Ereignis brachte und die Flintsbacher lobte:

Erweiterung Nord 1949-50

“Es gab zu allen Zeiten in der Flintsbacher Theatergeschichte Idealisten, die bereit waren, große Opfer zu bringen. In den Jahren 1949 und Anfang 50 stellte sich der ganze Ort zur Verfügung, den baufällig gewordenen Nordanbau des “Komödienstadls” zu erweitern und zu vergrößern. Wer Holz hatte, gab Holz, wer über anderes Baumaterial verfügte, gab dieses und alle gaben ihre Zeit und ihre Arbeitskraft, angefangen vom Bürgermeister bis zu den Buben und Mädeln. Es wurde ein Bau aufgeführt, der in seiner Stattlichkeit der ganzen Gemeinde zur Ehre gereicht. So geschehen in einer Zeit, da der Materialismus und die Vorteilssucht des einzelnen allerorts überhandnahmen. Alle, unten und oben, könnten sich daran ein Beispiel nehmen. Hier wurde gezeigt, dass auch in dieser Zeit durch Zusammenarbeit mit geringen Mitteln viel geschaffen werden kann. Die Gemeinde Flintsbach kann stolz sein auf ihre Theatergesellschaft, die sich als kultureller Faktor ihrer Verpflichtung gegenüber dem Volk und im Besonderen der Jugend wohl bewusst sei.”

Der Theaterstadl war nach Norden um sieben Meter länger geworden. Die Bühne hatte nun eine Tiefe von 12,50 m und eine Breite von 7 m. Der versenkte Orchestergraben bot, nach der gleichzeitig durchgeführten Vergrößerung, Platz für 30 Musiker. In den folgenden Jahren wurden immer wieder Reparaturen am Theaterhaus fällig, wobei dann die Frage auftauchte, ob nur die Mitglieder oder auch die Spieler zu einem Beitrag herangezogen werden sollten. Die Meinungsverschiedenheiten wurden geklärt und man beschloss, dass die Spieler für den Unterhalt des Gebäudes aufkommen sollten und die Besitzer nur in Notfällen beistehen.

In der Jahresversammlung im April 1965 wurde verzeichnet, dass die Bauverordnung für öffentliche Gebäude vorschreibt, die Balkonaufgänge anders anzubringen, denn der jetzige Zustand ist nur eine Notlösung. Dies geht nur im Zuge eines Anbaus an der Südseite des Theaterhauses. Im Jahre 1967 musste ein feuersicherer Treppenaufgang unter gleichzeitiger Verlängerung des Gebäudes um 4 Meter gebaut, und schließlich das ganze Theaterhaus neu gedeckt werden.

Fassade nach der Erweiterung 1967

Der Anbau hätte etwa 50.000 DM gekostet. Diese Summe konnten die Theaterleute natürlich nicht aus eigener Tasche aufbringen, so hofften sie auf Zuschüsse des Landkreises und der Gemeinde. Zwei Kostenvoranschläge lagen vor, es konnte ein Zuschuss von 12.000 DM erwartet werden. Noch im gleichen Jahr wurde der Bau fertiggestellt. Wenn noch bedacht wird, dass gleichzeitig auch das Sommerspiel einstudiert werden musste, so wird deutlich, welches Engagement die Theaterfreunde zeigten. Es wurden alle alten, ehemaligen Außentreppen und Aufstiege beseitigt. Den Theaterbesuchern wurde ein neues, schönes, aus Stein und Beton gefertigtes, Treppenhaus erstellt.

Nun stellte sich die Frage, ob nicht der altehrwürdige Theaterstadl sein “Gesicht” verloren habe. Wir meinen nicht, denn im Inneren hat sich nichts verändert: Zuschauerraum und Bühne blieben unverändert. Außen haben drei Seiten nichts vom Aussehen des “Bretterstadls” verloren, nur die Südfront, welche als Haupteingang für Parterre und Galerie dient, ist aus Stein gebaut und mit großen, hellen Fenstern versehen worden, damit die Treppen mit viel Licht ausgestattet sind.

  

Die Bühne des Volkstheaters und der Zuschauerraum

Die Entwicklung der Bühnenformen der Tiroler und bayerischen Volkstheater im 15. bis 19. Jahrhundert kennt verschiedene Bühnensorten, u.a. die Simultanbühne, Perspektivbühne, Jesuitenbühne und Sukzessions-Kulissenbühne. Letztere ist für das Volkstheater Flintsbach von entscheidender Bedeutung.

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und im 18. Jahrhundert entsteht ein Bühnentypus, der für die europäische Entwicklung zwar keine Neuerung bringt er fasst die Hauptelemente der Barockbühne lediglich zusammen, der jedoch für die Bühnen des Volksschauspiels in Oberbayern und Tirol besondere Beachtung fand. Die älteste erhaltene Bühne dieses Typs ist die 1823 in Flintsbach erbaute. Sechs Paar schräge Schubkulissen, mehrere Zwischenvorhänge und Prospekt bilden diese Sukzessions-Kulissenbühne, die jedoch keinen Schiebeprospekt besitzt.

Die Bühne ist 7 m breit und 12,50 m tief und damit größer als der Zuschauerraum. Der moderne Schnürboden gestattet das Aufhängen von bis zu 30 Vorhängen zwischen den Kulissen. 1987 wurde auf dem hinteren, seit 1948 bestehenden Bühnenteil eine bei Bedarf nötige mobile Drehbühne konstruiert und eingebaut. So können jetzt mit der vorhandenen Kastenbühne, den Dreh- und Schubkulissen, dem Schnürboden und der neuen Drehbühne 30 Bühnenbilder und mehr in kürzester Zeit erstellt werden. Für die Zuschauer eine willkommene Abwechslung.

42-Zuschauerraum_03

Der Zuschauerraum des Flintsbacher Theaterstadls dürfte in seiner Raumaufteilung unter den Volkstheatern eine Sonderstellung einnehmen. Denn wo findet man noch eine Bühne, die größer ist als der Zuschauerraum? Außer bei den großen Stadttheatern wird man lange nach etwas Gleichwertigem suchen.  Im Jahre 2004 wurden der Balkon und die Sitzbänke komplett erneuert. Im Zuschauerraum haben jetzt 286 Besucher Platz. Davon 191 Plätze im parterre und 95 auf dem Balkon.

  

Der historische Vorhang und die Bühnenfront

Das Trauerspiel “Hl. Katharina” im Jahre 1844 war die erste Aufführung nach den Passionsspielen. Die Darstellerin der Titelrolle, die Hafnerstochter Anna Gruber von Irlach, spätere Müllermutter von Milbing, schenkte dazu 60 Ellen Rupfentuch für den heute noch gebrauchten originellen Hauptvorhang.Bemalt hat dieses Prachtstück ländlicher Theaterromantik der Niederaudorfer Bernhard Behamgruber, zusammen mit seinem Sohn.

Dargestellt ist Thalia, die Muse der heiteren Dichtkunst und des Schauspiels, umgeben von Hauptfiguren aus der Ritterhistorie. Zu ihrer Linken der Intrigant mit Giftbecher, Dolch und Würfel, zwischen ihm und der Muse die Fürstentochter, die Krone und Schmuck von sich wirft; zu ihrer Rechten die tragische Heldin, die geziemend auf einem Löwen sitzt sowie – ganz außen die tugendhafte Jungfrau, die mit dem Schwert der Schlange den Kopf abschlägt. Links ist eine gewittrige Gebirgslandschaft zu sehen, in der Trutzburgen und schroffe Felsenklüfte das Böse unterstreichen; die Figuren zur Rechten befinden sich in einer südlich—klassischen Umgebung, die von einem blauen Himmel überwölbt wird.

Das Piedestal der Thalia trägt die Inschrift:

„Wenn die Tugend nachgeahmt,

Das Laster verabscheut,

Thorheiten vermieden,

Und das Edle in Ausübung

gebracht wird,

Dann erreicht die Muße des

Schauspiels ihren Entzweck“

1962 wurde der Kunstmaler Karl Eger mit der Restaurierung des Hauptvorhangs beauftragt. Die Rückseite wurde mit einer feuerhemmenden Schicht überzogen und die Farben aufgefrischt. Dies kostete 4.000 DM und riss erneut ein großes Loch in den Geldsäckel des Kassiers.

Im Jahre 1985 musste der unter Denkmalschutz stehende Hauptvorhang erneut restauriert werden. Die Arbeiten wurden von der Kunstmalerin Louisette Kottulinsky in der neuen Münchner Pinakothek ausgeführt. Insgesamt mussten dafür 75.000 DM aufgebracht werden.

Bereits ein paar Jahre später wurde von derselben Künstlerin der Flintsbacher Vorhang, auch Zwischenaktvorhang genannt, völlig neu überarbeitet. Hierzu war ein Kostenaufwand von über 50.000 DM nötig.

Im Jahre 1998 wurde die zum Hauptvorhang gehörende Bühnenfront von dem Kunstmaler Alois Stein restauriert. Dabei musste der hölzerne Untergrund ausgebessert, die alte Malerei freigelegt und dann wieder in den ursprünglichen Zustand gebracht werden. Für den Kostenaufwand von ca. 50.000 DM gaben das Landesamt für Denkmalpflege, die Regierung von Oberbayern, der Landkreis Rosenheim und die Gemeinde Flintsbach am Inn Zuschüsse.

Das wertvollste jedoch ist der Hauptvorhang, der einen kultur-historischen Wert hat, der von der Heimatpflege anerkannt ist.

Chronik

Die Chronik wurde 1998 zum 175. Jährigen Jubiläum des Volkstheaters veröffentlicht. Verfasst hat dieses bildreiche Werk der ehemalige Spielleiter Martin Goldes.

Interessenten können den 140-Seitigen geschichtlichen Rückblick des Volkstheaters für 13,- € + Versandkosten käuflich erwerben.

Senden Sie die Bestellung mit Ihrer Anschrift per Email an
info@volkstheater-flintsbach.de .

Die Chronik wird Ihnen umgehend, mit der Rechnung zugesandt.